„Wir sind eine Familie”

Im ECOINN Hotel in Esslingen sind die Mitarbeitenden aus vielen Ländern zu einem starken Team zusammengewachsen. Nicht zuletzt dank der Unterstützung des Hotelmanagers Thomas Puchan. Er setzt bei Integration auf Wertschätzung und Gespräche.

Die beiden großen Tische sind reich gedeckt: Es gibt Kaffee, Tee, Saft, frische Brötchen, Rührei, Marmelade und Aufschnitt aller Art. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Das Frühstücksangebot im „ECOINN Hotel am Campus“ in Esslingen ist reichlich und in bester Bioqualität. Alles, was in der Küche für das Gästebuffet vorbereitet wurde und dann übrig blieb, wird nun im Belegschaftsraum angeboten. Eine halbe Stunde sitzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels mit ihrem Chef Thomas Puchan beim gemeinsamen Frühstück zusammen. Die Stimmung ist locker. Es wird viel geredet und gelacht, bevor alle aufstehen und wieder an die Arbeit gehen.

Jeden Tag findet im ECOINN dieses morgendliche Ritual statt. „Das schweißt uns zusammen, fördert das Arbeitsklima und die interkulturelle Kompetenz“, sagt Manager Thomas Puchan. Letztere sei wichtig in einem Hotel, in dem 20 von 24 Mitarbeitenden aus dem Ausland stammen, die meisten aus Südeuropa. Gerade erst ist ein afghanischer Geflüchteter eingestellt worden. Deutsche Bewerberinnen und Bewerber gibt es kaum, aber die Nationalität spiele im ECOINN ohnehin keine Rolle, so Thomas Puchan. „Entscheidend ist, dass die Bewerberinnen und Bewerber fachlich geeignet sind, gewillt, Deutsch zu lernen, und gut ins Team passen.“ So stellt er schon bei der Einstellung die Weichen für eine gelungene Zusammenarbeit.

Ins Team passt nur, wer bereits gewisse interkulturelle Kompetenzen zeigt. „Männer, die nicht in der Lage sind zu akzeptieren, dass eine Frau ihre Chefin ist, oder ein Problem damit haben, dass hier Frauen und Männer gleich bezahlt werden, wollen wir nicht. Das gilt auch für Mitarbeitende, die Probleme mit anderen Ethnien haben. Wie im Fall einer serbischen Angestellten, die sich nichts von ihrer bosnischen Vorgesetzten sagen ließ und dadurch für Unruhe im Team sorgte. „Da mussten wir uns trennen“, sagt Thomas Puchan.

Ausgesprochen wichtig ist dem Hotelmanager, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Philosophie des Hauses mittragen. Das heißt, sie müssen hinter dessen Konzept der Nachhaltigkeit stehen. Schließlich ist das ECOINN Hotel nach dem aktuellen CO2-Fußabdruck das ökologischste in Europa. Strom und Wärme für das historische Gebäude erzeugt das eigene Kraftwerk aus 100 Prozent Neckar- Wasserkraft. Alle Zimmer sind seit dem Umbau mit baubiologisch unbedenklichen Materialien ausgestattet. „Selbst wenn das ökologische Bewusstsein anfangs nicht so da ist, entwickelt sich das bei der Arbeit mit der Zeit“, hat Thomas Puchan beobachtet.

Ihr Chef habe ein Händchen dafür, die richtigen Kolleginnen und Kollegen auszusuchen, lobt Drazenka Luz. „Wir passen zusammen wie die Teile eines Puzzles“, meint die gebürtige Kroatin, die vor 45 Jahren nach Deutschland kam. Vor zehn Jahren fing die gelernte Schneiderin als Ein-Euro-Jobberin im ECOINN an und hat sich inzwischen zur Hausdame hochgearbeitet. Sie schreibt die Dienstpläne für die sechs Reinigungskräfte, kontrolliert die Zimmer. Mit 67 ist sie noch nicht bereit für ein Leben als Rentnerin. „Auch weil ich mich hier so wohlfühle. Denn im Hotel steht jeder für jeden ein. Wenn eine Mitarbeiterin zu ihrem kranken Kind nach Hause muss, arbeiten die anderen dafür länger“, sagt sie und fügt hinzu: „Auch wenn wir aus unterschiedlichen Ländern kommen – wir sind eine Familie.“ Um als Familie zusammenzuwachsen, setzt Thomas Puchan auf einen informellen Ansatz. „Man muss den Mitarbeitenden vorleben, wie interkulturelles iteinander funktioniert, und ihnen Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenbringen. Egal, ob sie an der Rezeption arbeiten oder die Zimmer putzen. Hier sind alle gleich wichtig.“

Wertschätzung heißt für ihn nicht nur faire Bezahlung und unbefristete Arbeitsverträge. Sondern auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lob und Anerkennung bekommen für das, was sie leisten. Und dass Probleme offen und sachlich angesprochen werden – in einem Vieraugengespräch mit dem Chef oder in einem der regelmäßigen Teammeetings. Zweimal im Jahr findet ein Treffen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt, in dem alle Probleme auf den Tisch kommen und auch, falls nötig, die Bereitschaft zum Miteinander thematisiert wird.

Um ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, sei es auch wichtig, dass es „menschelt“, wie Thomas Puchan sich ausdrückt. „Ich nehme mir für die Mitarbeitenden Zeit, werde auch mal privat, erkundige mich nach der Familie, der Gesundheit oder dem Urlaub.“ Ideal dafür sei das tägliche Frühstück. „Da ergibt sich für die Mitarbeitenden und mich auch die Gelegenheit, sich für die anderen Kulturen zu interessieren, zu fragen: ‚Wie ist denn das bei euch, in eurem Land?‘“

Es menschelt auch außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten, denn das Management organisiert regelmäßig kleine Events, um das Miteinander zu stärken. Alle drei Monate lädt Thomas Puchan das Reinigungsteam von Drazenka Luz zum Italiener ein, wo es, wie die Hausdame bestätigt, immer sehr fröhlich zugeht. Es werden auch Ausflüge mit der kompletten Belegschaft unternommen und bei der Planung des gemeinsamen Weihnachtsfests können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbringen. Das zeigt offensichtlich Wirkung. „Hier erlebe ichjeden Tag, wie gut unterschiedliche Kulturen zusammenarbeiten können“, sagt Drazenka Luz.

Eine Erfahrung, die auch die acht Auszubildenden des Hotels machen. Die jungen Leute stammen alle aus Spanien und Kroatien. Eingestellt wurden sie im Rahmen des staatlichen Sonderprogramms „MobiPro-EU“, das helfen will, die hohe Jugendarbeitslosigkeit in anderen EU-Staaten zu reduzieren und gleichzeitig dem deutschen Fachkräftebedarf entgegenzuwirken. Gemeinsam wohnen sie in einem extra angemieteten Haus in der Nähe des Hotels. Obwohl, wie Thomas Puchan feststellte, diese Generation durch Instagram und Co. schon viel über andere Kulturen weiß, wurden sie zu Anfang ein Stück weit an die Hand genommen.

Die Betreibergesellschaft des Hotels, die sich der Jugendsozialarbeit und Bildungsförderung widmet, stellte ihnen eine hauseigene Sozialpädagogin zur Verfügung. Sie erklärte den Auszubildenden ganz praktische Dinge: Wie man grüßt, was man isst, wie die Arbeitswelt hier funktioniert. Und sie begleitete sie auf Ämtergängen und bei Busfahrten, um ihnen den öffentlichen Nahverkehr zu zeigen. Längst sind die acht integriert, zum Teil des Hotelteams geworden. Die unterschiedlichen Maßnahmen des Hotelmanagers haben sich bewährt, kommen dem
Haus und den Mitarbeitenden zugute.

Die Fluktuation des Personals sei deutlich geringer als bei anderen Hotels, so Thomas Puchan. Und Hausdame Drazenka Luz weiß: „Inzwischen sind auch viele privat befreundet, verbringen ihre Freizeit miteinander. Wie eine Familie eben.“